Kleinkinder

Ein Kleinkind mit einem Diabetes stellt die Familie vor besondere Herausforderungen. Wir verstehen die Kleinkinderzeit bis zum Eintritt in die Schule, respektive Kindergarten.

Nachfolgend findest Du eine kleine Themenauswahl, zu der wir Dich näher informieren möchten. Zum Thema “ausserschulische Betreuung” verweisen wir auf die Rubrik «Schulkinder». Die Themen werden laufend ergänzt.

Du darfst Deine Fragen aber auch gerne jederzeit via moderierte Facebook-Gruppe oder eMail stellen.

Neudiagnose in Zeiten von Corona – Ein Erfahrungsbericht

Neu entdeckter Typ 1- Diabetes beim 3-jährigen Kind – die Corona-Zeit machte es etwas einfacher.

S.B.

Am 16. März ereilte uns die einschneidende Diagnose: unser Sohn E., gerade 3 Jahre und 3 Monate alt, hat Diabetes Typ 1.

Seit Tagen war mir der starke Durst aufgefallen, das Aufs-WC-gehen im 10-Minuten-Takt. Dazu die Energielosigkeit am Nachmittag, der plötzlich wieder nötige Mittagsschlaf. Bei der Übergabe des Kindes (wir Eltern sind getrennt und betreuen E. zu je 50%) wies ich den Vater darauf hin, dass dies unbedingt zu beobachten sei. Als sich E.’s Zustand in den nächsten Tagen verschlechterte, erfolgte der Gang zur Kinderärztin. Der Verdacht bestätigte sich. Diabetes Typ 1 mit Ketoazidose. Sofort wird E. mit seinem Vater zur Spezialistin nach Dübendorf verwiesen. Ich werde telefonisch informiert. Das Erstgespräch zwischen der Spezialistin und E.’s Vater sowie die erste Behandlung von E. mit Insulin erfolgen unmittelbar. Ich versuche währenddessen, im Corona-Homeoffice weiter zu arbeiten, wie wenn nichts wäre.

Ich will mehr erfahren!

Für den Nachmittag werde ich zu einem weiteren Gespräch und einer umfassenden Einführung zugezogen. Ausführlich werden wir über die Vorteile einer ambulanten Ersteinstellung aufgeklärt. Im Gegensatz zum 10-tägigen bis 2-wöchigen Spitalaufenthalt, der diese Diagnose normalerweise mit sich bringt, lernt man alles von Anfang an im gewohnten Umfeld. Dort, wo man es später auch anwenden muss. Weder Kind noch Eltern werden aus diesem Umfeld gerissen. Das kann die Akzeptanz der Krankheit erhöhen bzw. das «Trauma» vermindern. Und wir wissen und kennen das. Die Autoimmunerkrankung des Vaters (Lupus erythematodes) bzw. deren Auswirkungen haben ihn in der Vergangenheit zu vielen längeren Spitalaufenthalten gezwungen. Als langjährige Partnerin habe ich das mehrmals leidvoll miterlebt. Das wollten wir weder uns noch unserem Kind antun, wenn es gute Alternativen gibt. (Gerade auch, da Spitäler aufgrund der Corona-Situation nicht gerade “places-to-be” sind.)

Gleichzeitig ist E.’s Vater aufgrund der Lupus-Therapie mit einigen Behandlungsnotwendigkeiten bereits vertraut. Statt Blutzucker misst er regelmässig die Blutverdünnung nach ähnlichem Verfahren. Statt Insulin muss er sich unter gewissen Umständen Blutverdünner spritzen. Und wir haben zum Glück keine Spritzen-Phobie und beherrschen den Dreisatz! Das erleichtert den Beginn enorm.

Auch eine erste ausführliche Ernährungsberatung findet sofort im Anschluss statt. Die nötigsten Grundlagen sind also am ersten Tag gelegt.

Dann nach Hause – phuuu! Das vertraute Umfeld, das Gespräch mit meinem Mitbewohner und seiner Partnerin, das erste Znacht unter neuen Bedingungen – Essmenge möglichst genau abschätzen (eines 3-jährigen!), Kohlenhydrate berechnen, mit der Ärztin telefonieren, Werte durchgeben, Insulin spritzen, Essen abwägen, alles aufessen (!) – und dann, irgendwann, zum Glück, im eigenen Bett schlafen!

E. geht es zum Glück bereits an diesem ersten Abend, nach dem zweiten oder dritten Mal Insulin spritzen, deutlich besser. Er clownt herum wie schon lange nicht mehr! Es ist eine Freude für alle Anwesenden!

S.B.

Und zum Glück übernachtet E.’s Vater bei uns. Alleine hätte ich es an diesem ersten Abend, in dieser ersten Nacht, unmöglich geschafft. Zu sehr stehe ich unter Schock. Zu viel Infos waren nur halb verarbeitet. Zu neu das Handling aller Utensilien.

In den nächsten Tagen folgen weitere mehrstündige Termine in der Praxis. Und dazwischen immer wieder Telefonate mit der Ärztin, um Werte zu besprechen und Insulinmengen anzupassen, uns beraten und beruhigen zu lassen.

Ich komme mit E. für einige Tage in der Gross-WG von E.’s Vater unter. Die Mitbewohnerinnen und Mitbewohner sind interessiert, mitdenkend, empathisch, hilfsbereit. Und immer wieder eine willkommene Abwechslung. Denn neben der akuten Krisensituation von E.’s Diabetes ist ja noch ein normales, inzwischen wieder lebhaftes, 3-jähriges Kind und eine vorbelastete Elternbeziehung zu managen.

Und dazwischen versuche ich noch, mein 60%-Arbeitspensum wenigstens ansatzweise zu erfüllen. Was sich als völlig illusorisch herausstellt. Wäre ich bei der stationären Therapie im Spital auch auf die Idee gekommen, dass das möglich sein soll?

S.B.

E.’s Vater hat als Veranstaltungstechniker aufgrund der Corona-Situation momentan Kurzarbeit bzw. keine Arbeit. Dieser ansonsten sehr belastende Umstand hat sich mit der Diabetes-Diagnose als Glück im Unglück erwiesen.

Nach den ersten 10 Tagen war es mir möglich, E. alleine mehrere Tage am Stück zu betreuen. Die permanente Erreichbarkeit der Ärztin war nicht mehr im selben Umfang nötig. Die einsetzende Remission machte jedoch einen fast täglichen Kontakt zur Ärztin zur Anpassung der nötigen Insulin-Dosen weiterhin notwendig.

Nun, nach gut einem Monat, haben sich E.’s Werte gerade etwas stabilisiert. Und: Es geht ihm prächtig! Und ich fühle ich mich zunehmend fähig, die Situation nicht nur zu überleben, sondern zu meistern!

S.B.

«Diabetes Typ 1 bei Kleinkindern – der Kampf ums Essen»

«Und da kommt das Flugzeug …!» Während die Eltern den Löffel durch die Luft schwingen und versuchen, das Kleinkind zu füttern, zeigt sich das Kind unbeeindruckt. Der kleine Mund bleibt fest verschlossen, der Kopf wird demonstrativ und ablehnend zur Seite gedreht.


Wer kennt das nicht? Man kocht etwas Feines, manchmal sogar das Lieblingsessen des Nachwuchses, doch das Kind verweigert einfach das Essen. Man könnte fast meinen, es mache es absichtlich, um die Eltern ein wenig zu stressen und deren Adrenalinpegel in die Höhe zu treiben.

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Sollte man vor oder nach dem Essen einen Bolus geben? Gibt es Tricks, die man als Elternteil anwenden kann, um das Kind zum Essen zu bewegen? Oder sollte man gar ein paar listige Erpressungsversuche mit Schokolade oder Gummibärchen starten?
Das Essen ist vor allem bei Kindern mit Diabetes Typ 1 ein riesiges Thema und alles hängt davon ab, ob das Kind etwas isst oder nicht, und wie viel. Das Risiko einer Unterzuckerung ist omnipräsent. Denn die Insulinmenge muss sorgfältig ausgerechnet oder abgeschätzt werden.
Drei Elternteile berichten hier von ihren Kämpfen mit dem Kind ums Essen.

Bericht 1

Unsere Tochter ist bald 5 Jahre alt und hat seit einem halben Jahr Diabetes Typ 1. Das mit dem Essen ist so eine Sache… Sie kann in ihrem Alter nicht einschätzen, wie viel sie isst und deshalb spritzen wir das Insulin erst nach dem Essen! Auch die Erpressung mit Schokolade funktioniert super bei ihr!

Ebenfalls angefangen haben wir, ihr zuerst die Kohlenhydrate auf den Teller zu geben und wenn alles aufgegessen ist, darf sie Gemüse und Fleisch haben! Sie könnte sich nur von Gemüse und Fleisch ernähren…

Claudia

Bericht 2

Mein Sohn war ja gerade 3,5 Jahre alt bei der Diagnose. Ideales Alter, um seinen eigenen Willen zu zeigen.

Uns hat unsere Diabetesschwester gleich am Anfang gesagt, wir sollen nach dem Essen spritzen. Erstens weiss man nicht genau, wieviel das Kind isst, und zweitens hat man dann nicht das Problem, zu viel gespritzt zu haben. Darum mussten wir nachträglich auch nicht mit Saft oder Süssem “nachzuckern”.

Ich bin dankbar für den guten Tipp dieser Diabetesschwester. So entstand eigentlich nie ein Machtkampf ums Essen. Allerdings hatten wir das FIT- Schema. Mit der 2-Spritzentherapie (eine am Morgen, eine am Abend – mit gemischten Insulinen) würde das nicht gehen, da man gegen das Hypo anessen müsste…

R.B.

Bericht 3

Es ist mühsam! Meine Tochter kriegte den Diabetes mit 9 Monaten. Damals hatte ich voll gestillt und gab ein bisschen Beikost nebenbei. Sie trägt die Minimed 640, die ersten 5 Monate haben wir blutig gemessen. Danach bekamen wir den Enlite. Aktuell hat sie 3.75 IE Novorapid pro Tag. Wir haben verdünntes Insulin, damit es über die Pumpe gut läuft, welches eine Apotheke herstellt und zuschickt.

Das Stillen

Ich hätte sie immer vor und nach dem Stillen wiegen müssen, aber das tat ich nicht, weil es zu mühsam und anstrengend war, da sie nicht still auf der Waage liegen oder sitzen konnte und dadurch die Zahl immer schwankte. Und dazu kam, dass sie mir beim Stillen ständig eingeschlafen war. Sollte ich sie wecken, dann wäre sie wieder wach geworden oder doch nicht? Wieviel Milch hatte sie nun getrunken, wieviel Bolus sollte ich geben?

Im Spital wollte man uns dazu bringen, einen 4h-Essensrhythmus einzuhalten. Das funktionierte einfach nicht mit einem Kleinkind. Wir stillten alle 3h, schon seit langem. Sie hinauszögern und schreien lassen? Was soll man tun, wenn das Kind keinen Brei und kein Fingerfood wollte? Es gab eine Riesendiskussion diesbezüglich und ich habe mich nicht sonderlich beliebt gemacht.

Die Beikost

Mit Beikost kamen dann andere Probleme. Einen kleinen Apfelbiss musste ich nicht bolen. Aber hier ein Biss, da ein Biss… Da steigt der Blutzucker und erfordert eine Korrektur. So lebten wir quasi vom Korrigieren. Das Einstellen der Basalrate war ein Ding der Unmöglichkeit. Denn ein Kleinkind kann nicht lange nüchtern sein und ich sollte ja anfangen mehr Beikost anzubieten. Es war ein Balanceakt zwischen Insulin geben und Essen schätzen.

Als Beikost habe ich Diverses ausprobiert, um zu schauen, was sie gerne ass. Ich machte kleine Weckgläser, abgefüllt mit etwa 10g KH. Davon ass sie manchmal 2 Löffel. Nun, wieviel Gramm Kohlehydrate wären das jetzt gewesen? Wieviel Bolus wäre nötig? Bei so kleinen Kindern kommt es auf jedes Gramm darauf an. Manchmal ass sie nur die Butter vom Brot, mal nur den Käse, mal ein bisschen Brot, manchmal auch das Ganze. Und manchmal, wenn man dachte, es wurde aufgegessen, fand man es unter dem Tisch.

Jetzt ist sie grösser und isst schon mehr als nur paar Bissen. Wenn sie gut mag, isst sie 60g Pasta mit Gemüse. Wenn sie nicht gut isst, muss man das Gemüse herausfischen und den Rest abwiegen und eine Runde kopfrechnen.

Ich lernte, ihr den Bolus erst nach dem Essen zu geben, auch wenn sie auf 16mmol stieg. Denn meistens, wenn der Bolus vorher erfolgte, wollte meine Tochter aus heiterem Himmel nichts essen. Dann spürte ich meine Nervosität ansteigen und fluchte innerlich über den „Seich“.

Ihr Wille und ihre Essensgelüste können rasch ändern. Genauso wie ihr Blutzucker bei gleicher Tagesstruktur und dem gleichen Essen immer anders aussieht.

Die Hypos

Anfangs als wir kein CGM hatten, war es mir lieber, ihren Blutzucker generell höher zu belassen, da ich Angst vor Hypos hatte. Denn die Hypos sah man meiner Tochter nicht an. Bei einem Blutzucker von 2,5 konnte sie quengeln oder anlehnungsbedürftig sein, dann wieder schnell ablenkbar oder zufrieden. Ein Verhalten, das nicht nur bei einem Hypo vorkam.

Zu Beginn vom Diabetes im Spital verweigerte sie bei den Hypo‘s anfangs das Zuckerwasser. Wir mussten ihr das Zuckerwasser beinahe mit Gewalt einflössen. Das war purer Stress.

Heute nimmt sie die 5ml Zuckerwasser gerne und sagt:“mmhhh Mämmh!“ Denn sowas gibt es sonst nie.

Jetzt, da sie den Enlite hat, kann ich etwas Spannendes beobachten. Meistens, wenn die Pumpe in der Nacht abstellt, erwacht sie und möchte trinken. Neulich ging sie Snacks in der Schublade schmausen, als ihr Blutzucker 5mmol erreichte und weiter sank.

Dania

                                                                                Erschienen im d-journal am Juni 04, 2019

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